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Somebody’s Baby

Das hat­te es in den 18 Jah­ren, seit ich mit „Char­lie – Alle Hun­de kom­men in den Him­mel“ mei­nen ers­ten Kino­film gese­hen hat­te, noch nicht gege­ben: Ich war allei­ne im Kino. Und ich mei­ne nicht „ohne Beglei­tung“, ich mei­ne: allei­ne, ein­sam, ver­las­sen. Ich war 100% der Zuschau­er­schaft. Was dop­pelt bit­ter ist, wenn man bedenkt, was für einen tol­len Film alle ande­ren ver­passt haben: „Juno“.

Juno ist ein 16jähriges Mäd­chen, das, als sie aus Neu­gier ihren bes­ten Freund ver­führt, prompt schwan­ger wird. Die Idee einer Abtrei­bung ver­wirft sie rela­tiv schnell, was aber schon so ziem­lich die ein­zi­ge Stel­le im Film sein dürf­te, bei der reli­giö­se Eife­rer wohl­wol­lend nicken. Ihr Vater und ihre Stief­mut­ter haben Junos Erzie­hung zwar schon län­ger abge­schrie­ben, unter­stüt­zen sie aber trotz­dem aus gan­zem Her­zen bei der Suche nach Adop­tiv­el­tern für das unge­bo­re­ne Kind. Die sind in Form von Jen­ni­fer Gar­ner und Jason Bate­man zu per­fekt um wahr zu sein, wie sich bald her­aus­stel­len wird, aber all das kann Juno nicht mehr groß aus der Bahn wer­fen.

Zu behaup­ten, in „Juno“ pas­sie­re nicht viel, wäre falsch: Zwar ist die Grund­kon­stel­la­ti­on von ergrei­fen­der Schlicht­heit, aber so hat sie dann eben doch noch nie­mand erzählt. Hin­zu kommt, das Dia­blo Cody, eine Ex-Strip­pe­rin, die für ihr ers­tes ver­film­tes Dreh­buch (eben das zu „Juno“) prompt den Oscar bekom­men hat, die plot points ihrer Geschich­te ziem­lich klug gesetzt hat: Immer dann, wenn man ahnt, was jetzt kom­men muss, pas­siert etwas völ­lig ande­res. Die Dia­lo­ge, die sich aus­nahms­los alle Figu­ren um die Ohren hau­en, sind geschlif­fen und trie­fen nur so vor einer lie­bens­wür­di­gen Gehäs­sig­keit. Das Ensem­ble, das die­se Dia­lo­ge vor­tra­gen darf, ist sen­sa­tio­nell – selbst Jen­ni­fer Gar­ner merkt man kaum an, dass sie über­haupt nicht spie­len kann.

Aber wir kön­nen nicht über „Juno“ reden, ohne Ellen Page zu loben. Ach was: Lie­bes­be­kun­dun­gen wol­len wir ihr schmie­den, Hei­rats­an­trä­ge töp­fern und ewi­ge Ver­bun­den­heit in Mar­mor­blö­cke schnit­zen. Denn bei allem Ver­dienst von Dreh­buch und Ensem­ble: „Juno“ lebt vor allem von sei­ner Haupt­dar­stel­le­rin und deren unglaub­li­cher Natür­lich­keit. Wenn man sich Inter­views wie die­ses hier anhört, bekommt man das Gefühl, das kön­ne vor allem dar­an lie­gen, dass die 21jährige Kana­die­rin und die von ihr ver­kör­per­te Juno sich nicht ganz unähn­lich sind.

Noch eine wei­te­re Frau soll gelobt sein: Kimya Daw­son, Ex-Sän­ge­rin der Mol­dy Pea­ches, hat wun­der­ba­re Songs zum Sound­track des Films bei­gesteu­ert. Es ist ihr sehr zu wün­schen, dass sie auch hier­zu­lan­de end­lich mal einen ähn­li­chen Erfolg hat wie ihr Ex-Band­kol­le­ge, der Blö­del­bar­de Adam Green.

Bei all den tol­len Frau­en geht ein Mann ein wenig unter: Regis­seur Jason Reit­man, des­sen „Thank You For Smo­king“ schon ziem­lich gut war, hat mit „Juno“ ein etwas ande­res feel good movie geschaf­fen, das sich Stim­mungs­mä­ßig irgend­wo bei „The Last Kiss“, „Litt­le Miss Suns­hi­ne“ und „Gar­den Sta­te“ ein­reiht, viel­leicht aber noch bes­ser ist als die drei ande­ren. Und wenn der Text der deut­schen Unter­ti­tel (ich hat­te das gro­ße Glück, den Film im Ori­gi­nal mit Unter­ti­teln zu sehen) dem der Syn­chron­fas­sung ent­spricht, haben sogar diver­se Wort­spie­le und Pop­kul­tur-Anspie­lun­gen die Ein­deut­schung über­lebt.

Trai­ler
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