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Musik

Mensch braucht HipHop

Sah ja fast schon so aus, als fehl­te dem Hip­Hop nur noch eine (wei­te­re) Kugel im Brust­korb zum end­gül­ti­gen Tod. Der Main­stream ist mitt­ler­wei­le der­art zuge­schis­sen wor­den mit auf­ge­pump­ten Hol­adris (und ihren jewei­li­gen Pos­ses), die gar nichts und noch weni­ger zu sagen haben, dass man schon froh ist, wenn irgend­je­mand mal ein Video ohne Frau­en­feind­lich­kei­ten zu Ende bringt. Die „Avant­gar­de“ bei den Vor­zei­ge­la­bels von Def Jux und Stones Throw scheint mir gleich­zei­tig ein biss­chen selbst­ge­fäl­lig gewor­den zu sein, kaum mehr aus­zu­bre­chen aus den selbst gesteck­ten, müh­sam erar­bei­te­ten The­men­be­rei­chen und Sound­wel­ten. Und Dan­ger­mou­se? Hat­te schon bei Gnarls Bar­kley und den Goril­laz nur noch am Ran­de mit Hip­Hop zu tun, bevor er zuletzt Plat­ten von The Rap­tu­re und The Good, The Bad & The Queen betreu­te. Das jüngs­te Rap­al­bum des­halb, das mich völ­lig auf­ge­fres­sen hat: Com­mons „Be“ aus 2005, klug betex­tet, kein Bull­shit drum­her­um und glän­zend pro­du­ziert von Kanye West, der damals noch Din­ge zu bewei­sen hat­te.

Das Gute nun an so einer Aus­gangs­si­tua­ti­on: Im Prin­zip konn­te es für Hip­Hop-07 nur auf­wärts gehen, wenigs­tens an den Rän­dern des Gen­res, wo es nie viel zu ver­lie­ren, aber umso mehr zu holen gab. Wie schnell und steil das gera­de pas­siert, fin­de ich trotz­dem min­des­tens genau­so über­ra­schend wie erfreu­lich. Der März fängt gera­de erst an, und es gibt trotz­dem schon Eini­ges her­zu­zei­gen:

Clip­se – Hell Hath No Fury
Wirkt am Anfang etwas tro­cken und sprö­de, lebt im End­ef­fekt aber vor allem von die­sen Eigen­schaf­ten. Unglaub­li­che Pro­duk­ti­on von den Nep­tu­nes, sehr redu­ziert und trotz­dem offen für Akkor­de­ons und sol­chen Quatsch. Die Tex­te der bei­den MCs dazu sind sehr böse und düs­ter, fast schon ver­bohrt in ihre Haupt­the­men (ca. Koks und Nut­ten), aber letzt­lich atem­be­rau­bend gut und kon­zen­triert. Per­fek­tes Poker­face, auch.

Dälek – Aban­don­ded Lan­guage
Sind weg­ge­kom­men vom Dröh­nen und Äch­zen der letz­ten Plat­te, jetzt ein biss­chen zugäng­li­cher und ein­fa­cher anzu­hö­ren. Der über­wäl­ti­gen­den Tie­fe ihrer Tracks hat das erstaun­li­cher­wei­se nicht gescha­det, es gibt immer noch aus­rei­chend zu bemer­ken und ver­ar­bei­ten, immer noch genug Rät­s­el­auf­ga­ben von Dälek, dem klei­nen, dicken MC mit der Don­ner­stim­me. My Bloo­dy Valen­ti­ne in Hip­Hop.

Talib Kwe­li & Mad­lib – Libe­ra­ti­on
Konn­te man sich Anfang des Jah­res kos­ten­los auf der Stones-Throw-Home­page run­ter­la­den und war eigent­lich nur als Warm-Up für Kwe­lis neue Plat­te gedacht, die irgend­wann spä­ter in 07 kom­men soll. Gera­de die­se zwang­lo­se Her­an­ge­hens­wei­se hat der Sache sehr gut getan, die Old-School-Blä­ser-Samples knack­sen und schlei­fen ganz herr­lich, die Raps sind pri­ma ver­tän­delt. Wird nun doch noch „rich­tig“ her­aus­ge­bracht, ver­mut­lich weil es zum Ver­schen­ken ein­fach zu gut war.

Bus­dri­ver – Road­kill Over­coat
Der Aben­teu­er­spiel­platz des Hip­Hop. In der zwei­ten Hälf­te ver­rennt es sich lei­der ein biss­chen, davor brennt hier aber der Busch wie lan­ge nir­gend­wo sonst mehr. „Less Yes’s, More No’s“ muss bit­te jeder gehört haben, viel prä­zi­ser kann man einen solch stu­ren Schlag­zeug­beat gar nicht mehr mit wun­der­ba­ren Kin­der­rei­en über den Bauch pin­seln.

K‑Os – Atlan­tis: Hymns for Dis­co
In die­ser Lis­te wohl der Stre­ber. Viel­sei­tig­keits-Hip­Hop, der sich bis zu Mar­vin Gaye rüber­neigt, aber irgend­wie immer noch die Kur­ve kriegt, bevor es zu viel wer­den könn­te. Wyclef Jean wür­de so klin­gen, wenn er, na ja, wenn er gut wäre, viel­leicht.