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Politik? Bitte internetter.
Ein Gastbeitrag von Fritz Goergen

You­Tube, Blogs, Twit­ter und das gan­ze Inter­net sind unse­ren Macht­eli­ten fremd und unan­ge­nehm. Weil es das ein­ge­spiel­te Gegen- und Mit­ein­an­der von Poli­ti­kern und Jour­na­lis­ten stört. Poli­ti­ker und Jour­na­lis­ten spre­chen die glei­che Spra­che. Da braucht sie nicht zu küm­mern, dass die „Men­schen da drau­ßen an den Bild­schir­men“ vie­les gar nicht ver­ste­hen. Denn der Eli­ten­be­trieb dreht sich vor allem in Ber­lin-Mit­te um sich selbst. Wer von den 3.000 Ber­li­ner Medi­en­leu­ten bei Hofe wei­ter zuge­las­sen wer­den will, darf die engen Gren­zen der gedul­de­ten Kri­tik nicht ver­las­sen – bei Stra­fe des Abge­schnit­ten­seins von den Infor­ma­ti­ons­häpp­chen aus ers­ter und zwei­ter Hand.

Die im Inter­net sind all­ge­gen­wär­tig, oft per­so­nell gar nicht zu fas­sen und – schnell. Kon­trol­liert müs­sen Poli­ti­ker sich bei Zei­tungs­in­ter­views nicht aus­drü­cken; Pres­se­spre­cher ändern und geneh­mi­gen jedes Wort, bevor gedruckt wer­den darf. Die For­meln für wich­ti­ge TV-Auf­trit­te im For­mat 1:50 las­sen sich ein­üben und per­ma­nent wie­der­ho­len. Ant­wor­ten auf unvor­her­ge­se­he­ne Fra­gen, über­ra­schen­de Situa­tio­nen über­haupt zei­gen dar­um immer mal wie­der, dass Poli­ti­ker – Mana­ger übri­gens noch viel, viel mehr – Kom­mu­ni­ka­ti­on nie gelernt haben.

Gui­do Wes­ter­wel­le hät­te auf die eng­li­sche Fra­ge des BBC-Man­nes ein­fach nur auf Deutsch ant­wor­ten müs­sen, ohne ihn zu beleh­ren, dass sich der Bri­te in Deutsch­land befin­det und dort Deutsch gespro­chen wird. Ange­la Mer­kel hät­te bloß Schäubles poli­ti­sche Qua­li­tä­ten ein biss­chen loben kön­nen, um den nie­der­län­di­schen Fra­ger nach Schäubles Rol­le im letz­ten Finanz­skan­dal der CDU ins Lee­re lau­fen zu las­sen. Doch in bei­den Fäl­len schim­mert mehr durch als Ver­sa­gen im Über­ra­schungs­fall. Aus­län­di­sche Jour­na­lis­ten muss man nicht so sorg­sam behan­deln wie inlän­di­sche; denn sie beein­flus­sen die ver­öf­fent­lich­te Mei­nung hier­zu­lan­de nicht. Ja – und lässt das nicht auch ahnen, dass deut­sche Poli­ti­ker mit inlän­di­schen Medi­en­leu­ten in Wahr­heit oft lie­ber auch so unwirsch umge­hen möch­ten?

Was mich an das Wort des Alt­bun­des­kanz­lers Hel­mut Schmidt erin­nert: „Jour­na­lis­ten: Wege­la­ge­rer und Indis­cretins.“

Wie schön, dass das Netz rei­ni­gen­de Kräf­te gegen unse­re insti­tu­tio­nel­len öffent­li­chen Nebel­ma­schi­nen frei­setzt. Kräf­te, die weder Poli­tik noch Medi­en unter Kon­trol­le brin­gen kön­nen. Das wird die öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on nach und nach auf neue, bes­se­re Bei­ne stel­len – auf demo­kra­ti­sche­re.

Fritz Goer­gen erfand für die FDP das „Pro­jekt 18“. Im Bun­des­tags­wahl­kampf 2002 war er Stra­te­gie­be­ra­ter von Gui­do Wes­ter­wel­le, nach der Wahl trat er aus der Par­tei aus. Seit­dem arbei­tet Goer­gen als frei­er Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­ra­ter und Publi­zist.