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Coming Clean

Wie ist es, eine Band zu sehen, auf die man seit 8 Jah­ren war­tet? Kann sie einen nur ent­täu­schen? Sind die eige­nen Erwar­tun­gen so hoch gesteckt, dass sie nicht wür­dig erfüllt wer­den kön­nen?

Und wie fühlt sich eine Band, die sich nach 4‑jähriger Tren­nung wie­der zusam­men­schließt? Wie­der die Lie­der spie­len, mit denen man sich vor 15 Jah­ren noch iden­ti­fi­zie­ren konn­te (als man gera­de mal voll­jäh­rig war). Ein­ge­pfercht in einem viel zu klei­nen Club in Köln, obwohl man zu Hau­se in Kan­sas in gro­ßen Hal­len spielt. Hier, wo auch das Publi­kum fast nur auf die alten Lie­der reagiert und die neu­en eher ver­wun­dert und höchs­tens kopf­ni­ckend auf­nimmt. Und dann auch noch 24/​7 mit den Typen im Bus, mit denen man sich doch eigent­lich vor ein paar Jah­ren schon nicht mehr ver­stand. Hier stellt sich jedoch eine ande­re Fra­ge: War­um dann über­haupt eine Reuni­on?

Ich bin seit 8 Jah­ren ein Fan der Get Up Kids, besit­ze alle Alben und EPs und kann fast jedes Lied mit­sin­gen (und tue es lei­der meis­tens auch sehr indis­kret). Als die Band 2005 ihre Tren­nung bekannt gab, saß ich wei­nend bei mei­nen Eltern am Früh­stücks­tisch (irgend­wo ist man doch immer noch das Boy­group-Mäd­chen von frü­her). Bei der Bekannt­ga­be der Wie­der­ver­ei­ni­gung vor­letz­tes Jahr freu­te ich mich wie kein Ande­rer. Doch die Mög­lich­keit mei­ne Lieb­lings­band live zu sehen, blieb mir ver­wehrt. Bis ges­tern.

Es war ein gutes Kon­zert im Luxor in Köln, doch was hät­te bes­ser sein kön­nen? Ich hät­te mir mehr Inter­ak­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Publi­kum gewünscht, mehr Begeis­te­rung für die eige­ne Musik und über­haupt mehr Stim­mung auf der Büh­ne. Vor allem Sän­ger Matt Pryor wirkt teil­wei­se sogar genervt.

Am Publi­kum kann das kaum lie­gen: Kei­ne betrun­ke­nen, ner­ven­den Min­der­jäh­ri­gen und auch von Aggres­si­on oder Ableh­nung kaum eine Spur. Ein­zig zwei Mäd­chen, die ja ach-so-hip­pie­mä­ßig-süß drauf sind und Sei­fen­bla­sen Rich­tung Büh­ne pus­ten stö­ren das Bild der durch­schnitt­lich Mit­te zwan­zig­jäh­ri­gen Zuhö­rer. Doch dafür hal­ten sogar die sonst so schweig­sa­men Get Up Kids eine iro­ni­sche Spit­ze bereit: „Oh Bubbles… That’s so Punk­rock!“ Recht haben sie, und schon stoppt die Bla­sen­be­läs­ti­gung. Auf einem Kon­zert so sub­til von dem Haupt­act belei­digt zu wer­den, muss man wohl auch erst­mal schaf­fen…
Doch wie war es nun?

Es war ein gutes, soli­des Kon­zert, dies wur­de es aber vor allem durch die Stim­mung im Publi­kum, das so text­si­cher war, dass es pro­blem­los den demo­ti­vier­ten Sän­ger Pryor erset­zen konn­te. Wer bei dem Namen Get Up Kids nicht unbe­dingt an Göt­ter in Men­schen­ge­stalt denkt, ist mit einem Live­auf­tritt sehr gut bedient. Wer dies jedoch tut (und ich zäh­le mich an die­ser Stel­le selbst dazu), soll­te sei­ne Erwar­tun­gen ein­fach nicht so hoch ste­cken. Das Kon­zert war gut, ich hat­te mei­ne Hand häu­fi­ger in der Luft, als bei allen Kon­zer­ten auf denen ich jemals war zusam­men­ge­zählt, mei­ne Ober­ar­me sind dank der aus­ge­las­se­nen Stim­mung im Mob grün und blau und mein Seit-8-Jah­ren-Lieb­lings­lied „Mass Pike“ wur­de gespielt. Eigent­lich soll­te ich wunsch­los glück­lich sein…