Kategorien
Radio Musik Rundfunk

Die Beatles? Wer sind die Beatles?

Obige Frage ist natürlich an dem Tag, an dem alle in Gedanken gen Graceland reisen, eher abwegig. Aber da ich eh in einem Beatles-Haushalt aufgewachsen bin (mein erstes popkulturell vertretbares Großkonzert war dann eben auch auf der ’89er-Tour von Paul McCartney), sei dies verziehen. Viel wichtiger ist eh das Hörerlebnis von eben, kurz nach neun: Ein hübsch ruppiger Gitarrenstakkato-Beat, wie ihn Tomte, Tocotronic oder Blumfeld (RIP) so drauf haben, legt los. Ein Typ mit dezent alpinem Genuschel sprechsingt dazu irgendwas, und schnell denkt man: “Das ist also die neue von den Sportfreunden? Das könnte man ja glatt gutfinden.” Und dann sagt Einslive-Wuschel Ingo Schmoll etwas von Jonas Goldbaum und – und hier kommt der an herrlich langen Haaren herbeigezogene Bezug zum Aufhänger – “Yeah, yeah, yeah”. Plötzlich hat ausgerechnet Österreich eine tolle Band.

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Ach ja: Jonas Goldbaum sind beim Kölner Clubgig der vielleicht immer noch guten Jimmy Eat World Support (21.8., also kommenden Dienstag) und veröffentlichen ihr Debüt Ende Oktober bei den Sensibelchen von Roadrunner.

Kategorien
Politik

What a difference a day makes

Man hatte es kaum vermeiden können, mitzubekommen, dass Tony Blair die Schlüssel zu 10, Downing Street heute hergeben würde. Auch der Name des Nachfolgers war schon länger absehbar – zumal sich Blair und Gordon Brown angeblich schon vor dreizehn Jahren darauf geeinigt hatten.

Das grinsende Segelohr bekam vor seinem Auszug aus der bekanntesten Wohnadresse Europas als möglicherweise erster PM überhaupt stehende Ovationen zum Abschied. Viel aufmerksamkeitswürdiger wirkte jedoch zunächst das, was heute-Moderatorin Petra Gerster in den 19-Uhr-Nachrichten fallen ließ:

Der neue britische Premierminister heißt seit heute Gordon Brown.

Eine spontane Recherche konnte eine solche Namensänderung jedoch nicht verifizieren. Der Kerl hieß schon immer so. Es muss also wieder alles auf den unsauberen Umgang mit der deutschen Sprache geschoben werden. Wie langweilig.

Kategorien
Musik

Jenseits von Taliban

Das Fenster ist zu. Jedenfalls brauche ich mich kein Stück weit hinauslehnen, wenn ich behaupte, daß The Afghan Whigs die einzigebeste Soulgrungeband aller Zeiten waren. Und sind. Denn wie vielleicht der eine oder die andere mitbekommen hat, haben sich die Herrschaften um Greg Dulli wieder zusammengerauft.

Nachgeborene werden Dulli zwar eher nur als The Twilight Singers kennen (und sich vielleicht sogar in den Auftritt beim letztjährigen Haldern-Pop verliebt haben). Aber das ist mittlerweile nur eine von Dullis Aktivitäten. Außerdem arbeitet er nämlich mit seinem Kumpel Mark Lanegan an einem Album als The Gutter Twins. Aber das muß weiter warten.

Jedenfalls erscheint am 6.7.2007 mit “Unbreakable – Best of 1990-2006” bei Rhino / Warner eine leckere Zusammenfassung ihrer Sternstunden, bei der zwar der Übersong “Miles iz dead” scheinbar nicht dabei – was eine Sünde wäre! -, aber der versteckte sich ja schon auf “Congregation” als Hidden Track. “Unbreakable – Best of 1990-2006” jedenfalls ist mit den zwei obligatorischen neuen Songs ausgestattet, die schon einmal zeigen sollen, wo es für die Band weitergeht. Und die haben es in sich!

Soviel zur Theorie, hier die Praxis:

Hier klicken, um den Inhalt von media.imeem.com anzuzeigen


Dieses “Magazine” ist verteufelt noch mal das schlüpfrigste Rockding, was mir dieses Jahr in die Ohren, ins Herz und in die Hose gerutscht ist. Hören und verlieben! Das ist ein Befehl.Weiterführende Links:

Kategorien
Musik Print Leben

Walfangverbot

Irgendjemand ließ heute unvorsichtigerweise mal wieder einen durchaus vertrauten URL fallen. Auf http://www.nme.com/magazine schaut man als musikinteressierter Mensch ja gerne mal nach, wenn man sich über die aktuellen Hypes informieren will. Und was blinkt einem da entgegen? Beth Ditto, Sängerin von The Gossip, in voller Größe und mit relativ wenig Textil. Beth Ditto auf dem NME-Cover Mancher wird dem Magazin unterstellen, dieses Covermotiv sei mutig. Mancher wird sich verschämt abwenden. Und mancher auch einfach nur reflexartig in seine Hose greifen. Sei’s drum – wichtiger als die persönliche Einstellung gegenüber Adipositas ist ohnehin die Musik. Die von The Gossip kann einiges, was man nicht nur daran ablesen kann, dass bei den geschätzen Kollegen von tonspion.de “Standing in the way of control” 2006 zum MP3 des Jahres gewählt wurde.

Dass aber das mit dem Coverfoto ausgerechnet am Tag passiert, an dem die internationale Walfangkommission verkündet, dass das Walfangmoratorium fortgesetzt wird, ist sicherlich nur Zufall. Oder? Zum Glück kennen die beim NME Jacky D nicht.

Kategorien
Politik

Der russische Bärbeiß

Vorgestern erst schaffte unser guter Freund Wladimir Putin seinen ehedem tapsigen Vorgänger unter die Erde, dem dessen Eltern den Namen einer französischen Wodka-Sorte gegeben hatten. Und heute sorgt er wieder für großen Spaß und Erinnerungen an den Kalten Krieg.

Ihr wisst nicht, was das ist? Tun wir also mal für einen Moment so, als gäbe es die Wikipedia nicht: Damals, als die Mauer noch stand und dafür sorgte, dass die einen Deutschen Bananen essen und BILD lesen konnten und die anderen Deutschen nicht, hatten die USA noch einen ebenbürtigen Feind. Die Sowjetunion, hierzulande auch gerne UdSSR abgekürzt und unsterblich im geworden Beatles-Song “Back in the USSR”, hatte die gleiche Unmenge an ABC-Waffen (die Klamotten, die George Dabbeljuh angeblich im Irak finden wollte) wie die USA. Und weil die Amis schon damals nur dann Krieg spielen wollten, wenn sie sicher waren, dass sie gewinnen werden und nicht eventuell doch eine Atomrakete aufs Haupt bekommen, machten sie mit den Sowjets eine Art Rasenschach. Nur ohne Rasen und ohne Schach. Man teilte die Welt in Blöcke auf und versuchte überall dort, wo man sich noch keinem Block zugehörig fühlte, mit Spionage, Sabotage und sonstigen Sauereien Fakten zu schaffen. “Der Feind meines Feindes ist mein Freund”, hieß es damals. Altmodisch, gell?

Nun will Putin also wieder Kalter Krieg spielen. Oder wenigstens die Abrüstung aussetzen. Das sorgt für Sorgenfalten in Brüssel, wo mittlerweile sogar ehemalige Sowjetrepubliken mit uns Westlern spielen, weil Abrüstung doch so wichtig ist. Lustigerweise bekommt aber die NATO ihre eigenen Abrüstungsselbstverpflichtungen selbst nicht so recht auf die Reihe. Und dann wundert man sich, wenn die Russen auch nicht weiter machen? Bitte sehr.

Natürlich gibt’s auch wieder den üblichen Dünnschiss aus Washington, wo man nach neuer Vorgabe “Wer nicht Feind meines Feindes ist, ist auch mein Feind” denkt. Condoleezza Rice lässt irgendwer Sachen sagen wie, dass russische Bedenken gegen ein paar Raketen in ihrem Vorgarten “einfach aberwitzig” seien. Sie hätte wohl auch kein Problem damit, wenn jemand ein paar Minen auf ihrer Veranda installiert. 

Die einzigen vernünftigen Gedanken hatte mal wieder Bundesaußensteinmeier Frank-Walter: “Die Nachrichten des heutiges Tages waren kein Vergnügen.” Aber sowas von.

Kategorien
Politik

Der russische Bär

Es gibt erschütternde Augenblicke. Wie, wenn man abends unvermutet plötzlich den Dicken aus der Pfalz mit aufgeweichtem Gesicht im TV sieht, obwohl man den doch eigentlich längst im Altersheim mit den anderen Polit-Zombies endgelagert erwartet hätte. Und das nicht, weil es plötzlich keine leckeren Saumägen mehr gäbe. Oder weil ihm plötzlich von all dem Aussitzen damals das umfängliche Gesäß mal so richtig schmerzte. Sondern weil der nette, tapsige, ausschließlich Wässerchen trinkende Ex-Präsident der Vorzeigedemokratie Russland, Boris Jelzin, verstorben ist. Schockschwerenot!

Dessen Nachfolger als Präsident der Vorzeigedemokratie Russland, Wladimir Wladimirowitsch Putin, weint bestimmt auch schon Krokodilstränen. Und wir fragen uns, wie lange es noch dauert, bis nach Michail Gorbatschow und Boris Jelzin nun auch Putin in die Flasche gefüllt wird. Oder hat der nette Ex-KGB-Chef etwa mit einem Sonderurlaub im Kaukasus gedroht, falls jemand so vorwitzig sein sollte?

Nastrovje, jedenfalls!

Kategorien
Musik

Eine Leiche zum Dessert

Vergangener Donnerstag, Gebäude 9. Die erste Deutschland-Tournee führte Murder By Death aus Bloomington, Indiana nach Köln. Und diese Mischung aus düsterem Punk, zickigem Rockabilly und dramatischer Americana begeisterte das Publikum – trotz bisweilen schepperigem Sounds – vom ersten Moment. Die Spielfreude der Band, besonders der grollende Tenor von Sänger Adam Turla und das warme Jaulen von Sarah Balliets Cello, schubste sich von Höhepunkt zu Höhepunkt.

Und es gab akustische Vergleichsversuche im faszinierten Publikum: Die einen wollten die White Stripes oder den Gun Club herausgehört haben, die anderen dachten an 16 Horsepower oder Two Gallants, und noch jemand verglich Turla mit einem Bastard von Johnny Cash und Glenn Danzig. Stimmt alles, und ist doch komplett am Ziel vorbei. Nicht jedoch so weit daneben, wie der immer noch nicht ausgerottete Zusammenhang mit dem Genred called Emo, der damals einzig auf einer Labelzugehörigkeit beruhte. Albumtitel wie “Like the exorcist, but more breakdancing” und “Who will survive, and what will be left of them” sind tolle Vorboten für noch tollere Musik, und das lose an Dante Alighieris Göttlicher Komödie ausgerichtete “In bocca al lupo” setzt dem Ganzen die Krone auf. Das ist das ganz große Rock’n’Roll-Drama, und quält sich doch wie der Kojote aus dem Schwarzweiß-Western Deiner Wahl. Und wer immer noch zweifelt, höre einfach “Brother” auf der Myspace-Seite nach (oder schaue das entsprechende Video) – und verneige sich innerlich.

Gerade einmal 10 Euro Eintritt für eins der fasznierendsten Konzerte der letzten Monate. Da mag das Lineup z.B. der diesjährigen Pearl-Jam-Openairs, die mit eben Pearl Jam, Interpol und den Futureheads wuchern dürfen, “fetter” wirken. Aber das Preisleistungsverhältnis saugt tote Hamster durch Strohhälme. Vor einigen Jahren kam auf der Mailingliste LostHighwayGermany anläßlich einer Neil-Young-Solotour mit Ticketpreisen über 100 Euronen die Theorie auf, bei diesen Preisen wäre eine Idiotensteuer mitinbegriffen, die fällig würde, sobald jemand bereit wäre, diesen Preis zu zahlen. Herr Steinbrück, bitte mitschreiben!

PS: Die Überschrift bezieht sich natürlich auf die großartige Neil-Simon-Verfilmung “Murder by death” u.a. mit Peter Falk, David Niven, Alec Guinness, Peter Sellers, Maggie Smith, James Cromwell und Truman Capote. Gucken. Jetzt.

Kategorien
Musik Print

Falls ich in Ungnade bei Wolfgang fallen sollte

Zeichen und Wunder und so. Da lese ich unbedarft im deutschen Rolling Stone, und plötzlich entdecke ich eine Aussage des notorischen Dylan- und Stones-Apologeten Wolfgang Doebeling, der sich gefälligst ein jeder vollinhaltlich anzuschließen hat. Gab’s das schon mal? Vermutlich: nicht.

Aber worum ging es eigentlich? Das anbetungswürdige “Fairytale of New York” von The Pogues mit der viel zu früh verstorbenen Kirsty MacColl, wird da auf Seite 113 der April-Ausgabe im “Vinyl”-Kasten behauptet, sei der “großartigste aller Xmas-Tracks”. Nicht nur in Zeiten, in denen die Temperaturen in Deutschland zu Ostern so sind wie sonst auf Malle in der Hochsaison, ist das mal die definitive Wahrheit. Und nicht mal die grundgute Coverversion der grundguten Stars, die man als B-Seite von “Your ex-lover is dead” im City-Slang-Store käuflich erwerben kann, wird daran etwas ändern. Und Doebelings Fauxpas, der Song hieße “Fairytale in New York”, schon mal gar nicht. Das alles muß etwas zu bedeuten haben. Vermutlich: nichts.

“Fairytale of New York” – Video bei Youtube
Herrlich derangierte Livefassung vom St. Patrick’s Day 1988, ebenfalls bei YouTube

Kategorien
Digital Musik

Das Jahr Paranoia

Es könnte eine Satire sein: Band verteilt als Teil einer Marketingaktion freigiebig ungeschützte Musik, Fans nehmen dankbar an der auf Verwirrung und Ausuferung angelegten Kampagne teil und stellen die Songs ins Netz, und die ewig tollwütige RIAA überzieht Webseitenbetreiber mit Drohungen und Unterlassungsklagen. Ehrensache, daß sich die pflichtschuldigen Anwälte der Musikindustrie vorher nicht darum gekümmert hatten, daß die fraglichen MP3s eben nicht “Raubkopien”, sondern Mittel zum gezielten Marketing und zur Zielgruppenbindung waren.

Aber von vorn: Trent Reznor, Kopf der amerikanischen Industrial-Rocker Nine Inch Nails, hatte für sein am kommenden Freitag erscheinendes Album “Year zero” eine Vision. In nicht allzu ferner Zukunft seien die USA dermaßen den Bush Bach runter, daß die christliche Rechte endgültig die Macht übernommen hat und das Ende der Welt heraufbeschwört. Eine Orwellsche Dystopie, die Reznor nicht nur in 16 gewohnt düsteren Tracks skizziert, sondern für die er auch noch einen unmittelbaren Nachfolger (sowie einen Film) in petto haben soll. Und mit einem parallel laufenden Alternate-Reality-Spiel die Verwirrung munter anheizt.

Spätestens das verzwickte Drumherum der TV-Serie “Lost” zeigte, wie virales Marketing soziale Netzwerke nutzt sowie alte und neue Medien virtuos miteinander verknüpft, ohne mit bunten Aufklebern, überladenen Flash-Animationen und klingeltondurchsetzten Trailern wuchern zu müssen. So spann Reznor (bzw. spannen seine Marketingfachleute) ein finsteres Netz: mit in Konzerthallen versteckten USB-Sticks, Einblendungen in Videoclips und Hinweisen auf T-Shirts. Mit versteckten Telefonnummern und geheimen Botschaften über Bioterrorismus und fiktionale Drogen. Mit einer Unzahl verschiedener PropagandaWebsites, die das Spiel weitertreiben. Allerlei Bruchstücke, Andeutungen und Fußangeln. In Bild und Ton versteckte Hinweise auf eine übersinnliche Präsenz und andere Seltsamkeiten. Und ein ominöses US-Büro für Moralität, an das man sich wenden möge, wenn man bei sich selbst oder bei anderen subversives Gedankengut feststelle. (Selbst betroffen? Sachdienliche Hinweise bitte an 1-866-445-6580.)

All das hätte die sinnfreie Aktion der RIAA mindestens torpedieren können. Wenn das Netz nicht viel schneller wäre, als eine lahme Behörde es je sein könnte. Und so ist der vermeintliche Schlag der Musikindustrie gegen das digitale Böse, der so seltsame Parallelen zu der entworfenen Zukunft von “Year zero” aufweist, auch nur noch ein zusätzliches Promotiontool für das Album und die Single “Survivalism”. Chapeau!

Kategorien
Musik

Eine Idee zur Gewalt

Wenn Daniel schon gerechterweise von Modest Mouse schwärmt, fühle ich mich genötigt, auf die wundervolle Rose Kemp hinzuweisen, die ich unlängst schon auf Plattentests.de abfeiern mußte. Zu ihrem bewegenden Gemütsbrecher “Violence” haben Fránçois und Rozi Plain ein stimmungsvolles Video in Sepiafarben gedreht. Bunt ist anders. Aber sicherlich längst nicht so intensiv.

Und mit dem Geprügel der Dumpfbacken nicht nur im Fußballosten dieses Landes, sondern auch in anderen großen Fußballnationen wie Spanien oder Italien hat das zum Glück so wenig zu tun wie nur was.

Kategorien
Politik

Wir sterben lieber eines natürlichen Todes

Vermutlich sind die meisten, die hier mitlesen, zu jung, um damals in den Achtziger dieses Plastikschild mitbekommen zu haben. Man sah darauf einen nordamerikanischen Ureinwohner (vor 20 Jahren noch als “Indianer”, ein paar Jahr zuvor nur als “Winnetou” bekannt), der an einem Lagerfeuer herumwedelte. Damals hielt man das als passendes Motiv für den Spruch “Danke fürs Nichtrauchen. Wir sterben lieber eines natürlichen Todes.” Der eine oder andere Nikotinist dachte sich damals, dass derlei ja geradezu nach einer Verarsche schreie. Denn anstatt wie diese langweiligen Nichtraucher mal eben einen natürlichen Tod hinzulegen, inhaltiert man doch gleich noch mal so genüßlich.

Damals waren die Krankenkassenkassen ja auch noch so etwas ähnliches wie voll. Und das sozialverträgliche Frühableben derer mit den geteerten Lungen nahmen die Rentenkassen noch ohne nennenswertes Husten zur Kenntnis. Diese Zeiten sind vorbei. Und auch die Zeiten, in der sich bundesdeutsche Regierungen nicht entblöden, der Tabaklobby das Wort zu reden und jegliches Tabakwerbe- oder gar Rauchverbot, das man sich in Brüssel ausgedacht hat, geflissentlich zu untergraben. Oder mindestens mit blödsinnigen Klagen auszubremsen.

Längst zeigen die Iren, die Malteser, die Italiener, die Spanier, die Luxemburger, die Belgier und die Franzosen, wie genüßlich man abends wieder in die Kneipe oder den Club gehen kann. Keine Angst mehr vor mutwillig produziertem Feinstaub, keine spontanen Bronchialasthmaattacken mehr beim Betreten einer Tanzlokal-Eckkneipe. Und sogar rosige Aussichten für die Gastwirte wegen steigenden Besucherzahlen. In Deutschland ist das ja immer noch anders. Und wer mit weniger als 1,80m Körpergröße auf eine Stippvisite z.B. ins Kölner Blue Shell geht, sollte die Sauerstoffflasche nicht vergessen, die es zum Überleben brauchen würde.

Doch jetzt zeigt der spontane Aktionismus der Regierung Wirkung. Es ist ja auch erst knapp vier Jahre her, dass die EU wegen jährlich 650.000 Toten und über 100 Milliarden Euro Kosten europaweit eine Richtlinie zum Verbot von Tabakwerbung erlassen hat. Da kam die deutsche Umsetzung im Dezember 2006 wie eine richtig spontane Übersprungshandlung. Und die zeitgleich stattfindende Posse um den nationalen Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz bekam ja eh kaum jemand mit. Ohne sich über eine Regierung schlapp zu lachen, die es nicht blickt, dass sie für den Geltungsbereich gar nicht mehr zuständig ist.

Jetzt kommt es also: das bundesweite Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Altenheimen, Gaststätten, Kneipen, Discotheken etc. Zum Glück hat sich das Volk aber immer noch genügend Vollpfosten an die jeweilige Macht gewählt, dass die schon wieder Aufweichungen des unvermutet sinnvollen Rauchverbots verlangen. Was einem dann durchaus den Wunsch nahelegt, die Herren Wulff, Rüttgers und Stoiber in der freiwilligen Raucherkneipe ihrer Wahl endzulagern. Die könnten sich dann bitte rasch an das Plastikschild vom Artikeleinstieg erinnern.

Wobei die Diskussion um Rauchverbote ja derzeit längst von der Klimapanik über den Haufen gerannt wurde. Wenn wir eh nur noch zwölf Jahre haben, um den Klimakollaps abzuwenden, haben die Raucher sogar noch einen Grund mehr, rasch auf Nikotinpflaster umzusteigen. Denn wenn die Küsten demnächst eh überflutet werden, reicht das bis dahin eingesparte Feuerzeugbenzin ja vielleicht noch fürs Signalfeuer im Rettungsboot.