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Musik Unterwegs

Tag 1: Stuttgart

Dieser Eintrag ist Teil 2 von bisher 9 in der Serie Das Simon den Hartblog

Samstag, 3. April 2010

“Das ist unser erstes Konzert“

Nach mehreren Jahren des Tontechnikerdaseins kenne ich sie alle:
Ich kenne jede Ausrede und jede fadenscheinige Erklärung, warum die Band ausgerechnet dieses Mal leider, leider nicht pünktlich am Auftrittsort erscheinen konnte. Da hört man Geschichten von Stau, Panne, ja sogar Geburtshilfe.

Interessant ist, dass wirklich jede einzelne Band, mit der ich je unterwegs war, am Telefon gelogen hat, wenn sie ein bisschen mehr oder weniger zu spät losgefahren war. Die wahren Gründe des Zuspätkommens sind in den seltensten Fällen aber Stau, Panne oder Geburtshilfe, und der geneigte Leser möge sich an dieser Stelle selber ausmalen, was stattdessen in Frage kommt. Als Tontechniker ist man ein bißchen wie die Tapete: Man kriegt alles mit, aber schweigt stille. Zudem habe auch ich schon oft gelogen, auch wenn ich genau wusste, dass es keine Chance gibt, es noch halbwegs pünktlich zu schaffen. Ist besser für alle Beteiligten.

Gestern war es allerdings überhaupt nicht nötig, kreative Ausreden zu erfinden. Wir waren so was von überpünktlich in Stuttgart, das habe ich noch nie erlebt. Das könnte eventuell auch eine Menge damit zu tun haben, dass ich Simon den Hartog auch noch nie habe sagen hören: “Das ist unser erstes Konzert!”

Es heißt ja immer, wer gut ist, müsste nicht proben. Simon den Hartog und Band haben trotzdem einge Wochen in einem Kölner Proberaum verbracht, und das hat sich deutlich ausgezahlt, wie sich in Stuttgart zeigte:

Das etwa eine Stunde dauernde Konzert wirkte nämlich zu keiner Zeit wie eine Premiere. Sehr auffällig war aber, wenn auch völlig klar, dass keiner der über hundert Gäste mitgesungen hat.

Die Gelegenheit zum Mitsingen ergab sich aber dennoch, nur etwas später: Zum 23. Geburtstag des Bassisten Nobert Dominic wurde ein kurzes Happy-Birthday angestimmt. Wo sollte denn auch jemand, der auf den Bühnen der Welt zu Hause ist, auch sonst in seinen Geburtstag reinfeiern, wenn nicht im “Keller” in Stuttgart?

Ebenfalls Premiere gestern: Das erste Deutschlandkonzert von An Horse! Die Australier begleiten uns die kompletten acht Tage der Tour als Vorband und stellen ihre gerade erschienene CD vor. Sehr nette, freundliche Menschen, die über die Jahre im internationalen Musikbusiness die Kunst des Smalltalks auf eine mir bisher völlig unbekannte, ja geradezu faszinierende Art erlernt haben. Zum Smalltalk hat man auf einer Tour nämlich vieeeel Zeit. Denn es ist ja so: Die meiste Zeit des Tages besteht aus Warten. Warten auf das Ankommen am Auftrittsort, Aufbauen, Warten auf den Soundcheck, Warten auf den Auftritt. Da kann man über die Jahre ziemlich gut lernen, wie man sich an Theken über Nichtigkeiten unterhält, ohne sich irgendetwas zu sagen, das die Anstrengungen, die man ohnehin schon auf sich nimmt, verstärkt.

Nun aber An Horse: Viele Smalltalkmeister habe ich getroffen, tausende Thekengespräche geführt, aber die beiden sind internationale Champions. Das bleibt wahrscheinlich nicht aus, wenn man über die Jahre so viele Menschen kennen lernt wie die beiden, und das auch noch auf unterschiedlichen Kontinenten! Aber wir werden in den nächsten Tagen schon noch dahinter kommen, wer und wie die beiden eigentlich wirklich sind. Acht Tage auf engstem Raum halten auch internationale Champions nicht im Small Talk aus, da bin ich sicher.

Heute ist immer noch der 4.4. und natürlich feiern wir noch weiterhin Dominics Geburtstag – beim Konzert im E-Werk in Erlangen. Wäre schön, euch dort zu sehen …

Entspannung nach der Show: Das rauchende Geburtstagskind
Auch in Hotelzimmern kann man sich wie auf Kreuzfahrtschiffen fühlen.