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“Ich habe gelacht, als meine Regierung verspottet wurde”

Es gibt sicher viele Gründe, politisches Kabarett doof zu finden (und weil man bei solchen Sätzen wenigstens einen Grund nennen sollte, sag ich mal: “Scheibenwischer”). Es gibt aber auch politisches Kabarett, dem ich mich freiwillig aussetze. Heute Abend habe ich mir z.B. zum vierten Mal Volker Pispers angesehen – zum dritten Mal mit seinem Best-Of-Programm “Bis neulich”, mit dem er seit fünf Jahren tourt. Und obwohl ich knapp die Hälfte des Programms hätte mitsprechen können, habe ich mich herrlich amüsiert. Das verzweifelte Mitschreiben und Rezitieren der bösesten Sprüche und besten Pointen überlasse ich ebenso den Reportern der Lokalzeitungen wie die Formulierungen “bitterböse”, “schwarzer Humor” und “Lachen im Halse steckenbleiben”.

Direkt zu Beginn des Abends, der inklusive einer halbstündigen Pause übrigens fast vier Stunden dauerte, bezeichnete Pispers das Kabarett als modernen Ablasshandel, der es den Zuschauer ermögliche, bequem gegen das System zu sein, in dem er lebt. Und so durfte das überraschend heterogene Publikum (ich möchte trotzdem wetten: 25% Lehrer) über Angela Merkel, George W. Bush, Wolfgang Schäuble, Franz Müntefering und wiesiealleheißen lachen, obwohl das, was diese Politiker so anrichten, selten zum Lachen ist. Entsprechend hoch war der Anteil der “Hohoho”s, also der Lacher, die man sich als politisch korrekter Mensch ja eigentlich gar nicht erlauben dürfte.

An Volker Pispers gefällt mir besonders gut, dass er sich nicht mit kindischen Parodien, Kostümierungen oder Aufführungen aufhält (s. “Scheibenwischer”), sondern den Zuschauern hauptsächlich Fakten um die Ohren haut. Natürlich sorgt er dafür, dass dabei Pointen entstehen, aber das, was er da auf der Bühne erzählt, lässt sich auch in den seriösesten Zeitungen nachlesen – nach Pispers Aussagen seine einzigen Quellen. Wie er Aufklärung und Unterhaltung gleichzeitig liefert, das ist fast schon ein bisschen mit der “Daily Show” vergleichbar.

Die Idee, dass Kabarett die Welt verändern könnte, wäre gänzlich absurd. Das Publikum hat gutes Geld bezahlt, sich köstlich unterhalten gefühlt, mal lauthals über die eigene und andererleuts Regierung gelacht und sich am Ende vielleicht sogar ein paar Fakten und Formulierungen gemerkt. Aber wird man Nachbarn, Freunde oder die obligatorischen Stammtischbrüder zurechtweisen, wenn diese die Politik eines Wolfgang Schäuble (ach, ein Zitat muss ich jetzt doch mal bringen: “Attentatsopfer und Rollstuhltäter”) gutheißen? Wird auch nur einer, nachdem er sich einen Abend lang über Politiker schlappgelacht hat, selbst in die Politik gehen und etwas ändern wollen?

Aber darum geht es ja gar nicht: Missionierung ist sicher nicht Ziel des Kabaretts, denn die, die hingehen, wissen ja eh zumeist, wie der Hase läuft, und die, die man wachrütteln müsste, die interessiert das alles kein bisschen. Trotzdem reden die Lehrer hinterher bei einem Glas Rotwein (und: ja, ich wünschte, das wäre einfach nur so ein haltloses Klischee, aber es ist natürlich schmerzhaft wahr) über das, was sie da gehört haben. Sie sind für einen Abend mal passiv engagiert gewesen und erzählen sich selbst noch einmal, dass beispielsweise die Chance, in Deutschland an Ärztepfusch zu sterben, unendlich höher ist als die, hier Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Das ist doch schon mal ein Anfang.

Und wo ich gerade dabei bin: Das Fantastival, in dessen Rahmen ich diesen Kabarettabend besuchen durfte, läuft noch zwei Wochen in Dinslaken. Karten für das Konzert der Kilians kann man noch bis Mittwoch bei uns gewinnen.